Rezension: Menny More – On Air Live
Im Gegensatz zu Genres wie Pop oder HipHop, wo Aussehen und Stil extrem wichtig sind, hatte Reggae schon immer ein großes Herz für Künstler, die ein bisschen aus der Norm herausragen. Man muss nicht wie ein Hollywoodstar aussehen, man braucht keine riesige Marketingmaschinerie, man muss nicht einmal perfekt singen, um durchschlagende Erfolge zu feiern. Gully Bop, Elephant Man, King Stitt oder Yellowman wurden trotz oder gerade wegen ihrer kleinen Macken und Unvollkommenheiten zu Everybody’s Darlings und gaben dem einfachen Volk einen Bezugsrahmen, so etwas wie ein Underdog-Image, mit dem sie sich identifizieren konnten.
Mit Junior Morrison alias Menny More betritt ein neuer Künstler die Szene, der durch seinen leidenschaftlichen Umgang mit Reggae auf Anhieb unsere Gunst gewinnt. Eigentlich begann er in den 90er Jahren als DJ Ryder und wurde später Mitglied der Easy Star All Stars, mit denen er viele Jahre auftrat. On Air Live ist seine dritte Veröffentlichung, aber seit den anderen beiden (Menny’s Book Of Riddims in 2012 und A Bit Of My Soul 2014) noch nie groß herausgekommen sind, könnte dies derjenige sein, der ihm internationale Aufmerksamkeit verschafft.
Dreizehn Titel entführen uns in seine bunte Welt der Musik, eine Welt, in die man unheimlich gerne eintaucht. Nicht nur die Vibes stimmen, sondern auch der rhythmische Rahmen: Jeder Track hat einen süßen Swing, der die Köpfe zum Wippen und die Füße zum Wippen einlädt, besonders die schnelleren Laugh Last und Soar. Bei anderen hat man einfach Lust, sich einen Partner zu schnappen, mit dem man abrocken kann, wie das schöne Count On Me, Will You Be There oder das Hammond-ish Tonight. Als Reminiszenz an die goldene Ära des 90er-Dancehall, ist Big Man In Town der einzige Riddim des Albums, der nicht mit Live-Instrumenten aufgenommen wurde, sondern von Leon „Di Bachelor“ Smillie programmiert wurde. Alle anderen Tracks atmen Authentizität durch die geschickten Hände von Kirk Bennett, George Miller und Sly Dunbar am Schlagzeug, Daniel „Axeman“ Thompson, Flabba Holt oder Robbie Shakespeare am Bass, Paul „Wrongmove“ Crossdale und Chinna Smith an der Gitarre, Robbie Lyn an den Tasten , Jerry Johnson am Saxophon und Bongo Herman am Schlagzeug.
Auf einer so warmen, originellen Grundlage ist es für Menny More ganz natürlich, sein fantastisches Gespür für melodische Arrangements in Stücken wie Dread Pass Thru, Bad Man oder Never See Me Crying zu demonstrieren. Und auch wenn die Stimmabgabe nicht immer tadellos ist, hakt das Feeling! Apropos: Stay From Them (ob in der Basisversion oder in Kombination mit Capital D) ist ein unwiderstehliches Stück, das so etwas wie die Kirsche auf diesem Klangkuchen ist. Wer dem ehemaligen DJ/ MC Menny gesagt hat, er solle anfangen zu singen, verdient Dank und Lob!
On Air Live ist ein Muss für Liebhaber authentischer, gefühlvoller Reggae-Musik – minus Autotune, minus Arroganz, plus Vibes und Kultur. Da bleibt nur eines zu wünschen übrig: Menny More on air, live zu sehen! (reggaeville.com)
Songs
01. Laugh Last
02. Count On Me
03. Big man in Town
04. Dread Pass Thru
05. Bad Man
06. Stay from Them
07. Men of Right
08. Will You Be There
09. Tonight
10. Soar
11. Shouldn’t Do Me That
12. Never See Me Crying
13. Stay from Them feat. Capital D
Total Satisfaction Records